Sonntag, 4. Juli 2010

Bärtige Gäste

Da ja das europäische Forum in nächster Zeit geschlossen werden dürfte, dachte ich mir, es könnte nicht schaden, eine etwas ältere Geschichte von mir hier zu “sichern”. Es war ein Beitrag zu einem damaligen Geschichtenwettbewerb, wobei der erste Teil der Geschichte bereits vorgegeben war. Man sollte diesen dann entsprechend weiterspinnen. Die Geschichte hat zwar nichts mit Hexenkriegerinnen zu tun, aber dem einen oder anderen gefällt sie ja vielleicht trotzdem …

Bärtige Gäste

Die seltsam bekleidete Bande Grünhäute brach durch den kleinen Wald auf die einsame Zwergentaverne zu. Gragnak Koppspalta, der grünste, gemeinste und größte Ork des Kriegtrupps schnüffelte in der Luft , lauschte kurz dem anhaltenden Geschwätz seiner Jungs hinter ihm und schnaubte angewidert. Er war nicht nur stärker sondern auch schlauer und sehnte sich wirklich nach einer guten Schlägerei mit den Stump’nz, um dem Waaaghboss seinen Wert zu beweisen.

„Ey!“, brüllte er, während er herumwirbelte, um seinen Spalta in den Kopf des Orks hinter ihm zu treiben, „haltet da Klappä, sonst wiss’n da Stump’nz noch, daz wir komm’n!“

Der unglückliche Ork griff hoch und wand seine dreckigen Finger um die in seinem dicken Kopf steckende Waffe, bevor er mit verdrehten Augen nach vorne fiel. Gragnak befreite seinen Spalta mit einem brutalen Ruck, noch bevor der Ork auf dem Boden aufschlug.

„Hört zu! Da Stump’nz werd’n nich’ wiss’n, daz wir Ork sin’, biz wir drinn’ sin’. Ich hab’s von Gagna gehört un’ er von Bugrag, daz wir dies’n Trick mit da Stump’nbärt’n mach’n, nich’ wahr? Da hat geklappt, also mach’n wir’s genauso mit dies’n.“

Der riesige Ork trat zwischen den Bäumen hervor und lief langsam Richtung der Tavernentür.

Während er in der ungewohnten Kleidung leicht stolperte, trat Gragnak die Tür auf, rückte seine Perücke zurecht und trat ein.

„Ah“, erklang eine Stimme hinter ihm, „deshalb braucht’n wir da Kleida.“

Gragnak hatte seinen Fuß noch nicht einmal über die solide Türschwelle hinweg bewegt, als die anfangs angeheiterte Stimmung abrupt erlosch und in annähernd totales Schweigen umschlug. Einzig der Klang abgestellter Krüge und einiges Geklirr aus dem Hinterzimmer waren noch zu hören. So ziemlich jeder Zwerg, der nicht gerade in seinen Bierkrug blickte, starrte auf den übergroßen, grünhäutigen „Zwerg“, der scheinbar große Mühen damit hatte, überhaupt gerade durch die Eingangspforte der Taverne zu passen.

„Ey, habt ihr Jungz noch kein’ durstig’n Stump’n geseh’n?“, fragte Gragnak in den Raum hinein.

Der Getarnte verharrte einen kurzen Augenblick und trat dann ein, um für die schon hinter ihm wartenden Orks Platz zu machen. Während einige Zwerge bereits zu ihren Waffen griffen, schienen andere durchaus von der Verkleidung überzeugt zu sein – zumindest war Gragnak fest davon überzeugt. Ihn überkam ein leichtes Grinsen, als er die bis auf den letzten Platz gefüllte Halle überblickte und nach dem mächtigen Großspalta auf seinem Rücken griff. Noch bevor er richtig ausholen konnte, trat jedoch ein mürrisch dreinblickender Zwerg auf ihn zu. Dieser kleine Wicht reichte ihm nicht einmal richtig bis zur Hüfte und wagte es trotzdem, sich der gewaltigen Grünhaut entgegen zu stellen, indem er sich auf seinem Zweihänder abstützte.

„Also weißt du, ich denke, wir sollten dir und deinen Freunden erst einmal zeigen, was es heißt, …“

Ein gewaltiger Hieb unterbrach nicht nur die Worte des Zwergs, sondern tat selbiges auch gleich noch mit dessen Genick. Während die leblose Hülle zu Boden stürzte, drängten sich weitere Orks und einige Goblins durch die Eingangstür. Einige der Zwerge sprangen auf die Tische, um einen besseren Überblick zu erhalten, als Gragnak mit seinen Jungs auf die Verteidiger zustürmte.

Schnappt se euch! Aba lasst mir da ganz Díck’n für da best’n Kämpfä!“, befahl der Anführer, während er sich zwei Eisenbrechern zuwandte, die versuchten, seitlich in die Linien der Angreifer einzufallen.

Die Luft in der Taverne war binnen Minuten vom Geruch von Schweiß, Blut und Schießpulver durchsetzt. Einige Zwerge hatten sich hinter umgeworfenen Tischen verschanzt oder versuchten, die einfallenden Grünhäute zurückzudrängen. Der alte Grambart, Besitzer der Taverne, hatte sich für solche Fälle eine alte Flinte unter dem Tresen bereitgelegt. Bei seinen Freunden war er als Geizkragen bekannt, doch angesichts der Zerstörung in seinen vier Wänden war ihm nicht anzumerken, dass er sparsam mit seiner Munition umging. Nichts schien ihn aus seiner improvisierten Stellung vertreiben zu können, während Grünhaut um Grünhaut in seinem Kugelhagel zu Boden ging. Gragnak war dies nicht entgangen und er freute sich bereits, als er zu einem kraftvollen Sprung ansetzte. Mit einem gewaltigen Satz landete er direkt auf dem reichlich verzierten Ausschank vor dem alten Maschinisten. Der alte Zwerg war spürbar entsetzt, als das solide Holz unter dem Gewicht sofort nachgab und in unzählige Splitter zerbarst. In Windeseile griff er nach allem, was er erreichen konnte und versuchte, das blutüberströmte Monstrum abzuwehren. Zerspringende Flaschen, von umgestürzten Kerzen entzündeter Alkohol, nichts schien ihn noch retten zu können.

„Kannst de nich’ma’ richtig mosch’n, du Madä?“, fragte der riesige Ork, als er zu seinem finalen Schlag ausholte.

Während der Kampf im Hauptraum des Hauses weiter tobte, begannen einige Goblins damit, ihre Squigs mehr oder weniger geschickt in Küche und Hinterzimmer des Anwesens zu treiben. Zwei Schwarzorks hatten währenddessen ihren eigenen Plan geschmiedet. Sie waren sich sicher, früher oder später müssten die vor den Squigs fliehenden Zwerge durch die von ihnen bewachte Tür hindurch stürmen. So sollten sie ihnen völlig überrascht und hilflos in die Arme laufen. Unglücklicherweise war ihnen jedoch entgangen, dass sich hinter der schweren Holztür lediglich die Besenkammer befand.

„Ey, ihr faul’n Gitz, steht da nich’ so rum. Da sin‘ noch Stumpn’z übrig!“, entgegnete ihnen Gragnak, während er sich abermals einigen weiteren Zwergen zuwandte. „Und euch erwisch‘ ich auch noch!“

Noch ehe er seine Drohung verwirklichen konnte, zerrte etwas von hinten an ihm. Ein junger Bartling hatte die unzähligen Trophäen und Felle auf seinem Rücken genutzt, um darauf zu springen und Halt zu finden. Nun versuchte er verzweifelt, dem Ork mit seinem Hammer irgendwie zu schaden oder diesen zumindest abzulenken.

„Runta mit dia!“, brüllte Gragnak, während er versuchte, den wild umher hangelnden Zwerg zu packen. Dieser ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken und hämmerte weiter auf die soliden Schultern und den Kopf der Grünhaut ein, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Dieser ungleiche Kampf zwischen David und Goliath entging auch einigen Goblins nicht, die kurzum den Rücken des Orks mit Pfeilen eindeckten, um den widerspenstigen Zwerg zu erlegen. Wutentbrannt schlug Gragnak weiter um sich und traf dabei nicht nur weitere Zwerge, sondern auch den einen oder anderen Goblin, wenn dieser unglücklicherweise seinen taumelnden Pfad kreuzte.

Schließlich gelang es ihm, den hartnäckigen Kurzbart zu packen und er schleuderte diesen voller Zorn und mit aller Kraft gegen den nächsten hölzernen Träger. Nun wollte er sich erst einmal diesen kleinen Maden zuwenden, die ihn scheinbar für Zielübungen mit ihren kleinen Schießan missbraucht hatten.

„Euch muss ich wohl auch erst noch zeig’n, wer hia da Boss iz!“, stampfte der zornige Anführer auf die beiden leichtsinnigen Goblins zu. „Aba, aba, Boss!“, erzitterten die Beiden, als sie sich langsam rückwärts in Richtung Eingang bewegten.

Gragnak interpretierte das Zittern und wilde Gefuchtel der Winzlinge als reines Zeichen ihrer Angst vor ihm, dem größten und stärksten Ork in der ganzen Gegend. Dabei bemerkte er jedoch nicht, dass der Aufprall des von ihm geworfenen Zwergs einem wichtigen Stützbalken den letzten entscheidenden Stoß versetzte. Während er sich den Goblins immer weiter näherte, übertönte sein Stampfen nahezu das Bersten der langsam nachgebenden Decke. Noch bevor er seine Rache vollziehen konnte, gaben die letzten Balken und Planken endgültig nach und das gesamte Gebäude begann, in sich zusammen zu sacken.

Als sich der Staub langsam gelegt hatte, war nicht viel von der Zwergentaverne übrig geblieben. Gragnak und einige weitere Grünhäute befreiten sich langsam von den Trümmern und achteten darauf, dass kein verbleibender Zwerg dies ebenfalls vermochte.

„Also diese Kleida und Bärtä hab’n echt waz gebracht“, stellte der von Staub und Blut bedeckte Gragnak fest. „Da haste Recht, Boss, aber die hätt‘n desweg'n nich‘ gleich mit da ganz‘n Hüttä werf’n müss’n!“, erwiderte ein anderer Ork, der sich gerade selbst befreit hatte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen